Dienstag, 11. März 2025, 19:30 Bürgerhaus Korbach
Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Wolf
Im frühen Mittelalter ist die Welt durch und durch mündlich. Alle Erinnerungen (memoria) werden mündlich weitergegeben, sogar Verträge und Rechtssätze werden mündlich per Handschlag abgeschlossen bzw. rechtsgültig. Überhaupt nur in der Welt des Klosters gibt es Schriftlichkeit. Alles funktioniert schriftlos-perfekt. Im 11./12. Jahrhundert ändert sich diese entspannte Gesamtlage innerhalb weniger Jahrzehnte. Plötzlich hat nur noch das Wert und Dauerhaftigkeit, was schriftlich vorliegt. Einige Urkunden beginnen sogar explizit mit der Erkenntnis: "Wir müssen es schriftlich festhalten, weil das menschliche Gedächtnis unzuverlässig ist". Bald erfasst dieser 'Schriftvirus' die gesamte höfische und städtische Gesellschaft, obwohl die Laien in der Regel weder lesen noch schreiben können. Der sog. Kaiserchronist warnt in seiner 'cronia' um 1150 unmissverständlich davor, dass mündliche Lügengeschichten direkt in die Hölle führen. Wahr ist nun nur noch, was schriftlich fixiert ist - auch wenn es keiner lesen kann! Ganz nebenbei werden nun auch von den 'Besitzern der Schriftlichkeit' die entsprechenden Schriftzeugnisse 'nachgefertigt' - man könnte auch sagen: gefälscht. Man erinnere sich nur an die vermeintlich uralte sog. 'Konstantinische Schenkung' oder das 'Privilegium maius' zur Gründung des Herzogtums Österreich - alles gefälscht - quasi 'neu erzeugte' Schriftwahrheit.
Was ist da passiert?
Diese dramatischen Wandlungsprozesse aus dem Mittelalter wirken übrigens bis heute nach, denn auch heute gilt wie um 1150: "Wahr ist nur, was schriftlich fixiert ist."
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Auf keinen Fall Jimdo
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