In ihrem Programm "Sexy geht anders..." bringt Anka Zink die Widersprüchlichkeiten und Sachzwänge des elektronischen Zeitalters auf den Punkt.
VON ARMIN HENNIG
Korbach. "Ich pflege meine Ladestationen und erziehe meine Akkus. Zu Hause ist dort, wo der Strom stabil ist", lautete ein erstes Etappenfazit der Bonner Kabarettistin auf der Reise durch eine technisch fremdbestimmte Gegenwart, in der sich Geräte beim Nutzer fürs Ausstecken rächen, weil danach nichts mehr wie vorher funktioniert.
Schon auf der Startgeraden hatte Anka Zink sämtliche falschen Assoziationen mit dem Schlüsselbegriff sexy aufgeklärt: Im Verlauf des Abends seien keine Beine schwingenden Tänzerinnen zu erwarten. Damit eröffnete sie den Männern im Bürgerhaus rechtzeitig die Gelegenheit zur Flucht, ehe sie die Frauen im Saal auf einige Zumutungen in Sachen Technik einstimmte.
Doch alle blieben auf ihren Plätzen, wahrscheinlich hatten die meisten auch den programmatischen Untertitel "Fummeln war früher, heute ist Twittern" gelesen. "Facebook ersetzt mehr und mehr den Blick aus dem Fenster, 1980 noch eine der vier beliebtesten Tätigkeiten in Deutschland", so die Kabarettistin, ehe sie auf die bedenklichen Seiten der ebenso verhassten wie oft genutzten Plattform zu sprechen kam. Denn seit der unvermeidlichen Einrichtung eines eigenen Profils mehrten sich die Kommentare von Leuten, mit denen man schon in der Schule nichts anfangen konnte wie die Geli, die im Lauf der Jahre nichts an Aufdringlichkeit eingebüßt hat. Allerdings outet sich die ehemalige Mitschülerin mit ihrem Profilbild in einem täuschend ähnlichen Umfeld als Vertreterin der "Mehr-Leistung-für-weniger-Geld"-Generation, denn Geli und ihre Freundinnen haben sich alle beim selben, einander gegenseitig als besonders günstig empfohlenen Chirurgen liften lassen. Und da der Schönheitshandwerker nur ein einziges Lächeln beherrscht, gleichen sich die Profilbilder zum Verwechseln.
Die bezeichnenden Differenzen zwischen einer analogen ersten Lebenshälfte und dem mehr und mehr digital dominierten oder elektronisch bevormundeten Rest des Lebens sind für die meisten bezeichnenden Lacher gut. Etwa die allgegenwärtigen Piepsgeräusche beim Trockner, der als Tamagotchi für Rentner fungiert, oder beim Einparken, wo die Stoßstange längst nicht mehr ihrem Namen gerecht wird, sondern nur als Konsole für Sensoren herhält. Der Sensor für den Beifahrer ist gleich für den nächsten großen Lacher beim Thema Bevormundung durch Technik gut. Denn der Gurtwarner reklamiert piepsend die Handtasche als nicht angeschnallten Beifahrer und da zugleich die Sitzheizung ohne hörbares Lebenszeichen anspringt, ist der Labello bei der Ankunft am Reiseziel geschmolzen.
Der schnellste und richtige Weg zum Ziel ist die dankbarste Fundgrube zum Thema einst und jetzt. Früher studierte man und frau vor Reiseantritt den Falk-Plan, eine Institution, die bei heutigen Jugendlichen allenfalls für Assoziationen zum Vogelschutz gut ist. Damals stand der Straßenatlas-Klassiker mit der Patentfaltung und " ausgerechnet " den Champs-Elysé im Schlitz für einen Wutausbruch der Mutter, die den einmal entfalteten Plan in einen Ball verwandelte. Die Gegenwart mit Navi ist allerdings nicht einfacher, denn jedes Mal wenn Mutti dem Vati, der seine Gleitsichtbrille vergessen hat, mit dem Finger auf dem Touch-Screen Anhaltspunkte gibt, verstellt sich das Gerät, sodass am Ende doch das daheim erstellte analoge Backup auf der persönlichen Festplatte zum Ziel des digital begonnenen Remixes der Reise in die Champagne führt, bei deren Erstauflage mangelhafte Französisch-Kenntnisse noch zum Verlust der Unschuld an einen Bäcker geführt hatten.
Doch auch in jenem verschlafenen Nest ist die Zeit nicht überall stehen geblieben. Die Frischfischtheke ist wegrationalisiert, das Rotweinsortiment ist dafür immer noch hervorragend und Vater nicht mehr fahrtüchtig. Aber die Eltern haben immer noch nicht realisiert, dass die Tochter seit über 30 Jahren den Führerschein hat. In der Technik hat sich seitdem viel getan, im Bewusstsein der Eltern bleibst du immer Kind, lautet die Bilanz der Reise.
Doch Bevormundung lauert überall in Form von Passwörtern: von der EC-Karte bis zum Kühlschrank, dessen 16-stellige Kombination nach der ersten Flasche Weißwein eine unüberwindliche Hürde vor der zweiten aufbaut. Die Twitter-Meldung "Achtung, die Erde dreht sich nicht mehr, Gott hat das Passwort vergessen" sollte sich als finaler Kommentar zum Passwortwahn erweisen.
Als Zugabe gab es ein Wiederhören mit "Mascha", denn der polnische Stammgast in den Anka-Zink-Programmen hat die Branche gewechselt und macht nicht mehr in Erotik, sondern gibt als Navi-Stimme respektlose Richtungsvorgaben.
Quelle: WLZ vom 2. Dezember 2013
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